22.10.2009
Carlson: Vorübergehender oder dauerhafter Schwungverlust ?
Köln, den 22.10.2009 (Investmentfonds.de) -
Dag Lindskog, Chief Economist Carlson Fund Mgmt Company,
schreibt im aktuellen Monatsbericht:
Wieder ein starker Monat auf den
Finanzmärkten mit den typisch steigenden
Aktienkursen und mehr oder weniger
unveränderten Anleiherenditen. Die Erholung
des Marktes verlief jedoch Ende
September im Sande und die ersten
Handelstage im Oktober begannen ausgesprochen
negativ. Der Dollar schwächte sich
gegenüber dem Yen und europäischen
Währungen ab. Der Ölpreis fiel.
Der globale Konjunkturzyklus hat sich seit
der tiefen Rezession Anfang des Jahres sehr
verbessert. Viele entwickelte Volkswirtschaften,
einschließlich der USA und des
Euro-Gebietes, waren einer Stabilisierung
bereits im zweiten Quartal nahe und
Schwellenländer generell, sowie insbesondere
Asien mit China, waren ziemlich
stark. Die Verbesserung setzte sich im
gerade beendeten dritten Quartal fort.
Diese Ansicht beruht in erster Linie auf
verschiedenen Umfragen, da die meisten
harten Fakten von August und September
erst mit einiger Verzögerung verfügbar
werden. Den einflussreichen ISM/PMIBefragungen
zufolge erholt sich der
Produktionssektor. Obwohl überall dieselbe
Methodik angewendet wird, können Ländervergleiche
lediglich Hinweise liefern.
Trotzdem registrierte Taiwan im September
den höchsten Wert und Schweden den
zweithöchsten. Sie lagen damit vor ca. 25
anderen Ländern und sogar vor China. Zu
den schwachen Regionen gehören Spanien,
Italien und Irland.
Konjunkturbeobachter sind optimistischer
geworden. Der IWF hat seine im Juli
gegebene Vorhersage für das globale
Wachstum im nächsten Jahr von 2,5% auf
3,1% korrigiert. Während der Boom-Jahre
belief sich das reale globale Wachstum auf
etwa 5%. Laut einer Umfrage des Economist
unter privaten Konjunkturbeobachtern im
September, liegt die erwartete
Wachstumsrate im nächsten Jahr für die
Vereinigten Staaten nun bei 2,5%, die für
das Euro-Gebiet bei 1,2% und damit um
0,5% höher als im August. Für viele
Schwellenländer wird mindestens das
Doppelte der Wachstumsrate der OECDLänder
prognostiziert.
Gleichzeitig zeigen die Informationen im
September eher eine langsame Verbesserung
und einige starke Rückschläge im Vergleich
zu früheren Monaten. Dies ist besonders
relevant für die US-Wirtschaft. Auf der
positiven Seite scheint sich der
Immobilienmarkt, „mit dem die ganzen
Probleme anfingen“, nach zwei aufeinander
folgenden, von Preiserhöhungen geprägten
Monaten zu erholen. Negativ ist
anzumerken, dass der Arbeitsmarkt sich
kaum erholt, die Bestellungen von langlebigen
Konsumgütern etwas zurückgegangen
sind und die Ergebnisse der ISMBefragung
leicht schlechter ausfielen,
obwohl sie weiterhin Wachstum signalisieren.
Angesichts der Tatsache, dass die
Markterholung bereits so lange und so stark
andauert, können diese negativen
Informationen wohl weitestgehend die
negative Entwicklung auf den Aktienmärkten
erklären.
Die wichtigste Frage ist, ob dieser
Schwungverlust vorläufig ist oder nicht. In
gewisser Hinsicht war ein Rückschlag im
September vorhersehbar, da die durch die
Regierung finanzierte Abwrackprämie im
August endete. Folglich nahmen die USAutokäufe
im August stark zu und im
September schnell wieder ab. Außerdem
müssen amerikanische Haushalte bei
gleichzeitig schwachem Einkommenswachstum
weiterhin ihre Verschuldung
reduzieren. Dies impliziert, dass die
Wachstumsrate des privaten Konsums
weiterhin gedämpft bleibt. Das zeigt sich
auch in den ungewöhnlich pessimistischen
Beurteilungen der gegenwärtigen wirtschaftlichen
Situation in neuen Befragungen zur
Konsumentenstimmung.
Die äußerst expansionistischen Steuer- und
Finanzpolitiken, einschließlich des im
Vergleich mit dem Euro und Yen schwachen
Dollar, lindern den Schmerz während dieser
Anpassungsperiode. Die Auswirkungen des
steuerlichen Stimulus auf das reale USWachstum
in der zweiten Hälfte des Jahres,
werden als besonders stark eingeschätzt.
Faustregeln bezüglich des Zeitabstandes
zwischen Finanzpolitik und einem Effekt auf
die Nachfrage weisen auf denselben
Zeitrahmen hin, da die Zinsen zu Beginn
und erneut im Herbst letzten Jahres radikal
verringert wurden. Diese Argumentation
deutet darauf hin, dass der Verlust des
Schwungs vorübergehend ist. Der härteste
Test ist im nächsten Sommer zu erwarten.
Um eine Verlangsamung des Konjunkturzyklus
zu vermeiden, muss sich der private
US-Sektor bis dahin genügend erholt haben,
um einem Nachlassen des Stimulus der
Steuer- und Finanzpolitik widerstehen zu
können.
Das Euro-Gebiet setzt die langsame
Erholung des Konjunkturzyklus fort. Der
Konsumklimaindex der Europäischen
Kommission erreichte im September den
höchsten Stand seit 12 Monaten. Laut
Befragungen ist die verarbeitende Industrie
nahe an einer Expansion. Die
Einzelhandelsumsätze fallen weiterhin, aber
langsamer als bisher. Ein wichtiger
Unterschied zwischen dem Euro-Gebiet und
den Vereinigten Staaten mit Auswirkungen
auf die Bewertung des Konjunkturzyklus ist
die Tatsache, dass die meisten Berechnungen
andeuten, dass der Euro gegen
den Dollar stark überbewertet ist.
Die Gesamtinflation ist jetzt überall im
Begriff im Laufe der nächsten beiden
Monate zu beschleunigen, da der Ölpreis-
Zusammenbruch des letzten Jahres aus dem
12-monatigen Vergleich fällt. Die Kern-
inflationsraten sind für finanzpolitische
Entscheidungen wichtiger und diese werden
wahrscheinlich weiterhin fallen. Das liegt an
der extrem niedrigen Kapazitätsauslastung
der meisten Märkte, die den Kostendruck
des Arbeitsmarktes, sowie die Preismacht
der Firmen abschwächt. Im US-Produktionssektor
zum Beispiel ist die Kapazitätsauslastung
in den letzten Monaten etwas
gestiegen, befindet sich aber dennoch nahe
dem Tiefstand der letzten sechs Jahrzehnte!
Und die neuesten Daten aus Japan zeigen,
dass die Deflation sich verstärkt.
Die Zentralbanken werden es daher nicht
eilig haben, die Sätze anzuheben. Das wurde
durch die Presseinformation der USNotenbank
vor kurzem noch unterstrichen:
„es ist davon auszugehen, dass die Wirt-
schaftsbedingungen bis auf Weiteres einen
außergewöhnlich niedrigen Leitzins notwendig
machen werden.“ Die schwedische
Reichsbank ließ Anfang September eine
ähnliche Nachricht verlauten.
Der Pittsburg-Gipfel der G20-Staaten
konzentrierte sich auf eine Neuausrichtung
des globalen Wachstums hin zu höherer
Nachfrage in Ländern mit Überschussproduktion
und erhöhte Produktion in
Defizitländern. In beiden Kategorien gibt es
viel zu tun. Nehmen wir zum Beispiel
China: „2007 betrug der private Verbrauch
gerade einmal 35% des BIP. Gleichzeitig
investierte China dank seines Leistungsbilanzüberschusses
11% des BIP in Auslandsaktiva mit niedrigem Ertrag.
Denken Sie daran, wie arm Hunderte
Millionen Chinesen immer noch sind und
führen Sie sich dann vor Augen, dass der
Netto-Transfer von Mitteln ins Ausland
einem Drittel des gesamten privaten
Verbrauchs entsprach.“ (M. Wolf in FT 23.
Sept.) Ein wichtiger Schritt der chinesischen
Behörden wäre es, die chinesische Währung
an Wert gewinnen zu lassen. Dies würde die
Neuausrichtung beschleunigen, Spannungen
im Handel mit den USA und Europa
abbauen und den Protektionismus
verringern. Die Tatsache, dass die
chinesische Währung im Laufe der letzten
15 Jahre gegen den US-Dollar nur um 1,5%
pro Jahr an Wert gewonnen hat, ist kaum ein
Spiegel der Gewinne, die diese 60 Jahre Alte
Währung im Laufe desselben Zeitraums
erreicht hat!
Der schwedische Wirtschaftsindikator von
KI zeigte im September, dass das Geschäfts-
und Konsumklima sich von viel schwächer
als normal zu schwächer als normal
verändert hat. Wie oben beschrieben, deutet
die PMI-Befragung auf einen kräftigen
Aufschwung des Produktionssektors hin.
Mehrere private Konjunkturbeobachter
erwarten nun einen Anstieg des realen
Wachstums auf 3% in 2010. Im Vergleich
zur neuesten Einschätzung der Regierung,
die trotz eines weiteren Steuersenkungspakets
bei einer realen Wachstumsrate von
nur 0,6% liegt, ist dies sehr optimistisch.
Sowohl private Konjunkturbeobachter als
auch die Regierung halten mit einer realen
Wachstumsrate von mehr als 3% an einem
ausgesprochen positiven Ausblick auf 2011-
2012 fest.
Quelle: Investmentfonds.de