06.08.2004
Invesco: Phase steigender US-Zinsen
Köln, den 06.08.2004 (Investmentfonds.de) - In den vergangenen Wochen gab es mehrere
Anzeichen dafür, dass das US-Wachstum von den unhaltbaren Wachstumsraten der zweiten
Jahreshälfte 2003 zu einem moderateren Pfad zurückgefunden hat, schreibt John
Greenwood, INVESCO Chef-Volkswirt, im aktuellen Marktbericht. Ein Rückgang der Einzel-
handelsumsätze und Aufträge für Gebrauchsgüter, ein geringeres Beschäftigungswachstum
und die Senkung der realen BIP-Wachstumsschätzung für das erste Quartal 2004 von 4,4%
auf 3,9%, deuten auf ein mögliches Ende der typischen Wachstumsbeschleunigung in dieser
frühen Phase des Aufschwungs hin. In den kommenden Quartalen dürfte sich das Wachstum
deshalb weiter abschwächen bis zu 3,0 - 3,5% auf annualisierter, vierteljährlicher
Basis Anfang 2005. Angesichts der geld- und fiskalpolitischen Anreize der letzten zwei
Jahre dürfte sich das Wachstum jedoch auf hohem Niveau fortsetzen.
Aus diesem Grund hat die amerikanische Zentralbank (Federal Reserve System, Fed) unter
Leitung von Alan Greenspan mit einer Serie von "maßvollen" Zinsanhebungen begonnen. Dies
wurde zum 30. Juni mit der ersten Erhöhung um 25 Basispunkte auf 1,25% eingeleitet. Es
wird allgemein erwartet, dass die Fed die Zinsen bei jedem Treffen des Offenmarktaus-
schusses (FOMC) bis Mitte 2005 um jeweils 25 Basispunkte erhöhen wird. Da der Offen-
marktausschuss acht Mal pro Jahr zusammenkommt, würden damit die Zinsen bis Juli 2005
auf insgesamt 3,0% oder 3,25% steigen. Möglicherweise wird die Fed die Zinsen noch
stärker anziehen, doch dies hängt von der zwischenzeitlichen Entwicklung der Wachstums-
und Inflationsindikatoren ab.
Klar ist, dass die Fed versucht, das BIP-Wachstum in den USA von derzeit etwa 4,5% p.a.
auf eine nachhaltigere Rate von 3,0 - 3,5% abzusenken und dabei die Inflationsrate bei
etwa 2% zu halten. Mit anderen Worten: Nach einer Phase ungewöhnlich niedriger Zinsen
hebt die Fed die Zinsen auf ein "neutrales" oder "normales" Niveau an. In dieser Phase
steigender US-Zinsen wird es den Aktienmärkten schwer fallen, deutliche Fortschritte zu
machen.
Ein Grund für die moderate Verschärfung der US-Geldpolitik liegt in der sehr hohen
durchschnittlichen Verschuldung der Verbraucher in den USA. Im ersten Quartal 2004 lag
das Verhältnis der Haushaltsschulden zu den verfügbaren Einkommen (nach Steuern) bei
115%. Die Schuldendienstquote liegt nahe bei einem Rekordhoch von 13,3%. Im Vergleich zu
Großbritannien ist in den USA ein größerer Anteil der Verschuldung der privaten Haushalte
langfristig und zinsgebunden. Dennoch wird die Fed vermeiden wollen, dass es durch
plötzliche Zinserhöhungen zu einem Schock im privaten Verbrauch kommt.
Zudem ist eine Fortsetzung des relativ starken Anstiegs der Inflationsrate wie in den
vergangenen Monaten eher unwahrscheinlich. Vor allem aufgrund des starken Ölpreisanstiegs,
ist die jährliche Inflationsrate zwischen März und Juni von 1,7% auf 3,3% gestiegen.
Dennoch sind die Inflationserwartungen, gemessen an der Zinsdifferenz zwischen kon-
ventionellen US-Staatsanleihen und Indexanleihen seit Mitte 2003 nur um 100 Basispunkte
gestiegen. Dies deutet darauf hin, dass die zugrundeliegende (Kern-) Inflationsrate bei
etwa 2,0 - 2,5% verharren dürfte (verglichen mit 1,9% im Juni).
In den nächsten 12 Monaten erwarten die Analysten für die USA eine Phase der Anpassung
an ein höheres Zinsniveau und geringere Wachstumsraten. Sie schließen sich nicht der
Meinung jener Pessimisten an, die eine Verschuldungs- oder Dollarkrise in den USA be-
fürchten. Die derzeitigen Haushalts- und Leistungsbilanzungleichgewichte können gelöst
werden, ohne dass es zu Verwerfungen kommen muss. Sobald diese Anpassungen vollzogen
sind, gestalten sich auch die Aussichten für die Aktienmärkte wieder sehr viel günstiger.
Quelle: Investmentfonds.de