01.02.2005
Raiffeisen ZB: Entwicklung der Kapitalmärkte in Osteuropa weiterhin attraktiv
Köln, den 01.02.2005 (Investmentfonds.de) - "Der schwache Dollar bleibt das dominierende
Thema auf den etablierten Finanzmärkten, aber die Dollarbewegungen werden nicht der
entscheidende Faktor für die Entwicklung auf den Devisenmärkten in Zentral- und Ost-
europa (CEE) sein", so Peter Brezinschek, Chefanalyst der Raiffeisen Zentralbank
Österreich. Außer Russland sind alle Staaten primär am Euro orientiert. Absehbare
Dollarschwächen lösen in Europa keine großen Turbulenzen wie noch vor zehn Jahren aus.
Die Währungen der neuen EU-Länder treten nicht in die Fußstapfen von italienischer
Lira oder spanischer Peseta, sondern sie sind fundamental durch attraktive Kaufkraft-
parität und hohe ausländische Direktinvestitionen gut abgesichert. Daher erwartet die
RZB selbst bei einem starken Euro keine Beeinträchtigung weiter aufwertender MOEL-
Währungen. Die Ausnahme bildet nur der ungarische Forint, wo abnehmende Zinsvorteile
im Jahresverlauf zum Aufgeben der Kursgewinne der letzten zwölf Monate sorgen könnten.
Starke Binnennachfrage bei MOEL-8
Doch Brezinschek ist überzeugt, dass "die jungen und künftigen Mitgliedsstaaten
Osteuropas durch die eigene Währungsstärke nicht wesentlich an Wachstumstempo ver-
lieren werden." Trotz eines schwieriger werdenden Exportmarkts Eurozone sollten die
MOEL-8 (neue EU-Länder) mit durchschnittlich 4,6% ein drei Mal höheres Wirtschafts-
wachstum in 2005 anpeilen als dies in der Eurozone (1,5%) der Fall sein dürfte. Die
starke Binnennachfrage, wesentlich getragen durch die rege Investitionstätigkeit,
kann die abnehmende Ausfuhrdynamik gut kompensieren. Polen (+5,0%) und die Slowakei
(+4,9%) ragen als Konjunktur-Spitzenreiter hervor. Aber auch in Südosteuropa liegen
die Wachstumsschätzungen für Rumänien (+5,0%), Bulgarien (+5,5%) und Albanien (+6,0%)
weiter auf Überholspur.
Differenzierung bei Osteuropa-Rentenmärkten
Rückläufige Inflationsraten im Jahr 2005 schaffen auch die Basis für Zinssenkungen in
mehreren Ländern Ost- und Südosteuropas. Ungarn und Tschechien haben diesen Reigen in
der Vorwoche bereits eröffnet. Vor allem in Ungarn, Polen und Rumänien sollten die
Leitzinsen bis Jahresende doch zum Teil erheblich tiefer liegen. Rumänien kommt die
Öffnung des Geldmarkts für Ausländer und die unter 10% gesunkene Teuerungsrate zugute.
Die Korrektur der europäischen Rentenmärkte dürfte aber auch vor Osteuropa nicht halt
machen, so dass in den kommenden drei Monaten Polen, Tschechien und die Slowakei mit
leichten Renditeanstiegen konfrontiert sein werden. Da die Ertragsaussichten für den
weiteren Jahresverlauf sowohl aus Währungs- wie Renditegründen positiv sind, bescheinigt
Brezinschek Anleihen in Zloty und slowakischen Kronen in den kommenden Monaten gute
Entwicklungschancen. Abraten würde Brezinschek dagegen von Eurobonds osteuropäischer
Staaten, die mit 10 bis 25 Basispunkten Renditeaufschlägen zu Laufzeiten gleichen
deutschen Anleihen zu teuer bewertet sind.
Aktienmärkte: Weiterer Aufwärtstrend nach kurzer Korrektur
Fallende Zinsen, hohes Wirtschaftswachstum und starke Währungen sind aber ein guter
Cocktail für steigende Aktienmärkte. Nach der seit Sommer ungebremsten Aufwärtsent-
wicklung an den Börsen Zentral- und Osteuropas rechnen die Analysten der RZB für das
erste Quartal mit einer Konsolidierung im Ausmaß von fünf bis sieben Prozent. Ver-
einzelt überzogene Gewinnerwartungen und die stärkere Beachtung von Budget- und
Leistungsbilanzdefiziten könnten den Höhenflug aber nur vorübergehend stoppen. Obige
positive Faktoren für das Gesamtjahr 2005 sollten spätestens im Frühjahr wieder die
Oberhand gewinnen, so dass die Kursschwäche eine erneute Kaufgelegenheit für osteuro-
päische Aktien bieten sollte. Mit zehn bis fünfzehn Prozent ist die Ertragschance an
MOE-Börsen auch 2005 wieder höher als bei den etablierten Aktienmärkten.
Ungarn ist mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 10,5 am günstigsten von den neuen EU-
Börsen bewertet, weist aber mit knapp 9 % das niedrigste langfristige Gewinnwachstum
auf. Konstant gute Gewinnsteigerungen dürften die tschechischen Unternehmen aufweisen.
Privatisierungen (CEZ, CSA, Ceska Posta) könnten die Liquidität steigern und für aus-
ländische Kapitalzuflüsse sorgen. Für den polnischen Markt spricht das hohe langfristige
Gewinnwachstum von über 20 Prozent und die Marktverbreiterung durch die IPO-Schwemme des
vergangenen Jahres (36 Neuemissionen!).
Russland im Blickpunkt
Besonderes Augenmerk richtet Brezinschek auf den russischen Aktienmarkt. Hier hat sich
die Stimmung verschlechtert, seit die russischen Steuerbehörden im vierten Quartal
Untersuchungen gegen mehrere Unternehmen eingeleitet hatten. Yukos scheint somit kein
Einzelfall zu sein. Offensichtlich will der russische Staat den Einfluss auf die Wirt-
schaft wieder ausdehnen. Daher bleibt die Einschätzung der RZB trotz einer fundamental
attraktiven Situation vorerst auf Halten.
Gestützt wird dies durch die Ölpreisschätzung für 2005. Mit durchschnittlich USD 40,-
je Barrel würden die Preise vom Vorjahr sogar um rund 10 Prozent übertroffen. Die
globale Nachfrage wird um rund 1,5 Prozent ansteigen (nach plus 3,3 Prozent 2004),
die Raffinerieengpässe werden insbesondere bei den extraleichten Ölsorten bestehen
bleiben und die OPEC wird wahrscheinlich schon bei ihrem nächsten Meeting im März
eine Senkung ihrer Fördermenge von aktuell 27 Mio. Fass pro Tag und ein höheres Preis-
ziel beschließen. Politische Unruheherde wie der Irak vergrößern nur die Preis-
schwankungen, nicht jedoch die Dauerhaftigkeit der Preisbewegung. Die Exportausfälle
von Yukos sollten dagegen umgehend durch frühere Konkurrrenten wie Lukoil ausgeglichen
werden.
IPOs
"In 2004 konnten für den europäischen Raum insgesamt 256 Listings gezählt werden. Die
CEE-Länder waren mit insgesamt 10% der Neunotierungen sehr aktiv - allen voran die
Warschauer Börse mit 36 Listings, was einem zweiten Platz nach London mit 423 Listings
bedeutet", erklärt Mag. Birgit Kuras, Chefanalystin und Leiterin Equity Capital Markets
der Raiffeisen Centrobank AG, und ist überzeugt, dass sich dieser Trend weiter fort-
setzen wird. Vor allem in Russland sieht Kuras ein Potenzial von 20-30 Unternehmen, die
in den nächsten Jahren IPO-Kandidaten sein könnten. Analysten gehen von einer
Marktkapitalisierung der neuen Emittenten zwischen USD 25 und 30 Mrd. aus. "Umso be-
dauerlicher ist, dass in Deutschland und Österreich die IPO-Tätigkeit fast völlig zum
Erliegen gekommen ist, trotzdem der Kapitalmarkt äußerst aufnahmebereit wäre", resümiert
Kuras.
Empfehlungen
Mag. Stefan Maxian, Company Research der Raiffeisen Centrobank, sieht die Börsenindizes
in den CEE-Ländern nach wie vor als sehr interessant an (KGV Polen 11,3, Ungarn 10,4).
"Trotz einiger Kurskorrekturen, wie z.B. in Polen, werden die Indexwerte zum Jahresende
über dem derzeitigen Niveau erwartet. Lediglich der tschechische Markt, getrieben durch
die Privatisierung der Cesky Telecom, erscheint mit einem KGV von 15,6 bereits ambi-
tioniert bewertet", so Maxian.
Im Ölsektor wird in 2005 unverändert mit einem günstigen Marktumfeld gerechnet. Den
durchschnittlichen Ölpreis erwarten die Analysten bei USD 39,0 (Vorjahr: USD 38,2).
Die Raffineriemargen sollten über demlang jährigen Durchschnitt liegen. Für OMV und MOL
erwartet man im ersten Quartal eine gute Kursperformance, da beide ein starkes
Unternehmensergebnis und vor allem ein großes Entwicklungspotenzial aufgrund der letzten
Akquisitionen in der MOEL-Region aufweisen sollten. Somit bleiben OMV und MOL auf Kauf
eingestuft.
Während die Raiffeisen Analysten im Finanzdienstleistungssektor bei der Komercni Banka
durch die gute Performance in 2004 weniger Potenzial sehen, wird bei Banken mit einem
hohen Anteil an Privatkundengeschäft nach wie vor mit einem starken Wachstum in den
nächsten Jahren gerechnet. Der Kampf um Marktanteile in Osteuropa wird allerdings nun
auch im Privatkundengeschäft härter geführt. Aufgrund der derzeitigen
Konjunkturentwicklung sollten sich laut Maxian die Risikokosten in Grenzen
halten. Top-Empfehlung im Bankensegment: OTP.
Der Telekomsektor in Zentral- und Osteuropa, allen voran strategische Investoren,
konzentriert sich derzeit auf die laufende "Rest"-Privatisierung der Cesky Telecom, wo
angekündigt wurde, den Staatsanteil von 51% noch im 1. Halbjahr zu verkaufen. Maxian
sieht aber die Privatisierungsstory bereits im derzeitigen Aktienkurs eingepreist. Nach
wie vor bieten die niedrigen Penetrationsraten in Polen Kursfantasie. Hier wird die
polnische TPSA, auch aufgrund der laufenden Restrukturierungsmaßnahmen und der relativ
günstigen Bewertung,favorisiert. Auch die Telekom Austria wird durch das angekündigte
Engagement in Bulgarien immer mehr zur CEE-Aktie und bleibt eine Kauf-Empfehlung.
"Russland hat sich von einem "Buy and hold them all" zu einem glatten Parkett mit einer
deutlich gestiegenen Risikoprämie für russische Aktien entwickelt", so Maxian. Die
Raiffeisen Experten erwarten auch 2005 eine hohe Volatilität am Aktienmarkt, mit einer
Wiederholung des Yukos-Falles wird jedoch nicht gerechnet. Es ist aber durchaus möglich,
dass Free Cash Flows durch Steuermaßnahmen auf unerwartete Weise reduziert werden. Die
Liberalisierung des Handels mit Gazprom-Aktien könnte zum Event des Jahres werden und zu
einer Neugewichtung von Russland in wichtigen Benchmarkindizes führen. Top-Pick in
Russland: LUKoil.
Pharma
Der Markt der Generika befindet sich vor allem in den USA, hervorgerufen durch
indische Importe, und vielen Westeuropäischen Ländern, bedingt durch starke politische
Einschnitte, in einem harten Preiskampf. Richter und Pliva sind hier die am meisten
betroffenen Unternehmen.
Trotzdem man bei Pliva von der Gewinnwarnung enttäuscht ist, werden weitere negative
Überraschungen nicht mehr erwartet. "Der rückgestufte Kurs von Pliva lässt ein durchaus
attraktives Potenzial erkennen", erklärt Maxian. Auch in den CEE-Staaten, allen voran
in Polen und Ungarn, lässt sich bereits staatlicher Druck auf die Medikamentenpreise
erkennen. In Tschechien und der Slowakei hat der volle Wettbewerb des freien Marktes
eingesetzt hat. In Russland plant die Regierung, im Jahr 2005 um USD 1 Mrd. mehr in
Medikamente zu investieren, um sich besser an das europäische System anzugleichen
(bisher zahlen Russen ihre Medikamente aus der eigenen Tasche). Die Regierung hat ein
ambitioniertes Programm ausgearbeitet, das in 2005 ein Ansteigen der Medikamentenausgaben
um über USD 1 Mrd. möglich macht.
Profitieren sollten davon Richter und Krka, gefolgt von EGIS. Neben dem Generika-Hersteller Zentiva mit einem soliden Wachstum in Tschechien und der Slowakei und einem Start in Polen und Russland, hat Maxian nach wie vor Pliva auf der Empfehlungsliste.
Quelle: Investmentfonds.de